ChatGPT für Anwälte und Kanzleimitarbeitende - wie der KI-Chatbot im Kanzleialltag eingesetzt werden kann
Der Fachkräftemangel ist längst kein Phänomen mehr, das nur auf einzelne Branchen begrenzt ist – auch Anwaltskanzleien sehen sich zunehmend mit der Herausforderung konfrontiert, qualifiziertes Personal zu finden und zu binden. Selbst intensive Recruiting-Bemühen stoßen häufig auf einen nahezu leeren Stellenmarkt.
Laut einer Umfrage des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) aus dem Jahr 2023 gaben 68% der befragten Kanzleien an, Probleme zu haben, geeignetes Personal zu finden (Deutscher Anwaltsverein, 2023). Prognosen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) deuten außerdem darauf hin, dass bis 2030 rund 250.000 Fachkräfte im Rechtswesen fehlen werden (Institut der deutschen Wirtschaft, 2023).
Angesichts dieser Herausforderungen wird es immer wichtiger, die Effizienz der vorhandenen Mitarbeitenden zu steigern.
Ein vielversprechender Ansatz hierbei stellt der Einsatz von KI-Technologien wie beispielsweise der des KI-Chatbots ChatGPT dar, die durch die Übernahme von Routineaufgaben im Arbeitsalltag den Bedarf an zusätzlichem Personal reduzieren können.
Eine Umfrage von Wolters Kluwer aus dem Jahr 2022 ergab, dass 78% der Anwälte weltweit erwarten, dass die Nutzung von Technologie in den nächsten Jahren erheblich zunehmen wird, um die steigende Arbeitslast zu bewältigen (Wolters Kluwer, 2022).
Doch trotz dieser positiven Aussichten scheuen sich viele Anwälte, ihre Mitarbeitenden v.a. aktiv in den Umgang mit KI-Technologien wie ChatGPT zu schulen. Oft wird von den Angestellten erwartet, dass sie sich in ihrer Freizeit mit diesen Tools vertraut machen, was die Akzeptanz und die tatsächliche Nutzung solcher Technologien hemmen kann.
Dabei kann ein gezieltes Schulungsprogramm während der Arbeitszeit nicht nur die Effizienz und Produktivität steigern, sondern auch die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung erhöhen, indem es eine Unterstützung bei der beruflichen Weiterentwicklung signalisiert. In einer Zeit, in der der Fachkräftemangel die Branche fest im Griff hat, könnte dies ein entscheidender Schritt sein, derartige Herausforderungen erfolgreich zu meistern.
Eine Expertin, die sich intensiv mit dieser Thematik auseinandersetzt, ist Carmen Wolf. Als gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte mit Weiterbildungen zur Rechtswirtin und Kanzleimanagerin sowie als Ausbilderin für Rechtsanwaltsfachangestellte bringt sie umfassende Erfahrung und Fachwissen mit.
Aktuell leitet sie als Büroleiterin die Koblenzer Rechtsanwaltskanzlei FROMM und weiß demnach aus erster Hand, wie wertvoll effiziente Arbeitsprozesse im Kanzleialltag sind. In ihrem Webinar zum Thema „ChatGPT für Kanzleimitarbeitende“ zeigt sie praxisnah auf, wie ChatGPT im Kanzleialltag eingesetzt werden kann, welche Vorteile es bietet und wie die rechtssichere Nutzung gewährleistet wird.
Wir haben mit Frau Wolf über ihre Erfahrungen, ihre Ansichten zum Einsatz von KI-Technologien in Kanzleien und die Vorteile einer gezielten Schulung der Mitarbeiter gesprochen. Im folgenden Interview teilt sie ihre Erkenntnisse und gibt wertvolle Tipps, wie Kanzleien den Schritt in die KI-Zukunft erfolgreich meistern können.
Sie benötigen Unterstützung in Ihrem Kanzleimarketing?
Dabei helfen wir Ihnen. Durch unsere jahrelange Erfahrung als Experten für Online-Marketing beraten wir Sie nicht nur bei der Strategie, sondern setzen auch alles um, was für eine erfolgreiche Online-Präsenz erforderlich ist.
Lesen Sie unseren kostenlosen Ratgeber: 30 Tage, 30 Mandatsanfragen.
Fachkräftemangel in Anwaltskanzleien
WebTiger Pro: Frau Wolf, welche Hauptgründe sehen Sie dafür, dass der Fachkräftemangel in Anwaltskanzleien so stark ausgeprägt ist und wie haben sich diese Entwicklungen auf Ihre Arbeit bei der Kanzlei FROMM ausgewirkt?
Carmen Wolf: Tatsächlich hat gerade der so schöne Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten (ReFa) durch mangelnde Wertschätzung und schlechte Bezahlung in der Vergangenheit stark gelitten. Das (Frauen-)Berufsbild wurde (und wird zum Teil sogar heute noch) oft als „kaffeeschubsende Tippse“ abgewertet, obwohl eine fundierte rechtliche Ausbildung zugrunde liegt, die die Fachkräfte nicht nur zu qualifizierten Arbeiten befähigt, sondern sie auch zu gern in Anspruch genommenen Ansprechpartnern auf privater Ebene macht: Denn die Themen, die die Fachkräfte beherrschen, schlagen vielfältig in private Lebenssachverhalte ein.
Das wird von den Berufsträgern oft nicht gesehen, insbesondere weil die schulische Ausbildung selten im Detail begleitet wird. Deshalb wird auch nicht gefordert und gefördert; „Team“ und „Augenhöhe“ sind dann auch Fremdwörter in der Kanzlei. Neben der Wertschätzung ist vielfach die schlechte Bezahlung einer der größten Minuspunkte, da sich die Gehälter – auch nach einigen Berufsjahren – oft am Rande des Mindestlohns bewegen. Wer sich näher mit dem Thema beschäftigen möchte, dem sei ein erschütternder, aber wahrheitsgetreuer Beitrag von Theus/Nitschke in den BRAK-Mitteilungen 4/2023, dort S. 212 ff., insbesondere aber S. 218 f. ans Herz gelegt.
In unserer Kanzlei hat sich die Entwicklung „nur“ insoweit ausgewirkt, als dass wir aus einer wesentlich geringeren Anzahl an Bewerberinnen und Bewerbern unser „Match“ finden müssen. Wir hatten allerdings nicht wirklich Probleme, Ausbildungsplätze oder (selten) andere Stellen zu besetzen. Unser Team entwickelt sich gemeinsam weiter, viele meiner Kolleginnen sind mehr als 10, 15 oder 20 Jahre dabei. Da ist es offensichtlich, dass die Kanzleiführung eine Menge richtig macht!
Der Einsatz von ChatGPT im Kanzleialltag
WebTiger Pro: In Ihrem Webinar sprechen Sie über den Einsatz von ChatGPT im Kanzleialltag. Können Sie uns konkrete Beispiele nennen, wie ChatGPT die Arbeit von Kanzleimitarbeitenden effizienter gestalten kann? Welche Möglichkeiten gibt es, ChatGPT im Kanzleialltag einzusetzen?
Carmen Wolf: Da gibt es eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten, angefangen von der Textoptimierung, die die Grammatik-, Interpunktion- und Rechtschreibprüfung umfasst, die aber auch die sprachliche Verbesserung, Ausdrucksstiländerungen oder das Vermeiden von Wortwiederholungen beinhalten kann.
Texte aus Bildern oder aus starren (nicht digital kopierbaren) Dateien können ausgelesen und analysiert, passende Grafiken und Schaubilder erstellt, Excel-Tabellen angelegt und optimiert werden; Verträge, Anschreiben und E-Mails können anhand von ein paar Stichworten individuell blitzschnell vorbereitet werden, darüber hinaus können Präsentationen (z.B. auch für eine gute Ausbildung) mit kurzen Eingaben inhaltlich gefüllt generiert werden.
Vom digitalen Lernen oder Auskünften/Recherchen für die tägliche Arbeiten über die Erstellung von (zeit- und kostensparenden) Reiseplanungen – die an Chatbots zu delegierenden Aufgaben sind sehr vielfältig (wenn man weiß, was geht und wie es geht). Ich könnte jetzt noch so viele andere Möglichkeiten aufzählen, das würde aber den Rahmen sprengen. Besuchen Sie doch gerne eines meiner Webinare (*lacht).
Fakt ist, dass die Effizienz und Qualität gesteigert werden kann, das sind pro Mitarbeiter laut Berichten (die ich im Übrigen für zu tief gegriffen halte), an die 100 Stunden pro Jahr. Lassen Sie es sich „auf der Zunge zergehen“: Es sind mehr als zwei Wochen – tiefgestapelt, meine ich!
Herausforderungen im Umgang mit ChatGPT
WebTiger Pro: Viele Kanzleien zögern, Ihre Mitarbeitenden aktiv in den Umgang mit KI-Technologien wie ChatGPT zu schulen. Welche Bedenken oder Herausforderungen nehmen Sie hierbei wahr, und wie könnten diese überwunden werden?
Carmen Wolf: Da sollte man zunächst unterscheiden, wer hier zögert: Die Berufsträger oder die Mitarbeitenden. Während Mitarbeitende oft befürchten, dass sie durch KI ersetzt werden könnten (evtl. auch nur Berührungsängste haben), liegt der Fokus bei den Anwälten eher auf Gefahren im Umgang mit KI, sie sind zudem aber auch oft skeptisch, was KI leisten kann. Ein Grund in Letzterem könnte darin liegen, dass es der oder die eine oder andere bereits versucht, aber von der Qualität nicht das erhoffte Ergebnis erhalten hat. Denn auch die Arbeit mit Chatbots muss man „lernen“.
Verunsicherung allgemein und auf „beiden Seiten“ besteht regelmäßig insoweit, als dass bekannt ist, dass Chatbots auch halluzinieren, also tatsächlich Informationen durcheinanderwürfeln und falsch ausgeben können und das auch tun. Auch das (meist „gefährliche“) Halbwissen um Gefahren wie Deep-Fakes und Cyberkriminalität können dazu führen, dass der oder die eine oder andere sich dem Thema verschließt.
Oft kann eine nur zwei- oder dreistündige Beschäftigung mit dem Thema (z.B. im Rahmen einer Schulung) Ängste und Skepsis nehmen. Der „Balance-Akt“ zwischen Innovation und Verantwortung ist nämlich beherrschbar.
Vorteile des Einsatzes von ChatGPT
WebTigerPro: Welche Vorteile bringt der Einsatz von KI-Chatbots wie ChatGPT im Kanzleialltag mit sich?
Carmen Wolf:
Geradeheraus: Effizienz/Zeitersparnis, aber auch die Qualität steigt. KI wird nicht krank, macht keinen Urlaub, ist stets verfügbar – und immer gut gelaunt, wenn Sie es auch sind (*lacht).
Die häufigsten Anwendungsbereiche, für die KI in Unternehmen genutzt wird, sind das Verfassen und Optimieren von Dokumenten. Hier kann man schon erahnen: Ein in Sekundenschnelle mittels z.B. ChatGPT optimierter Text lässt längere Korrekturzeiten wegfallen; zudem kann die KI der persönliche Praktikant sein, der Organisations-, Routine und Vorarbeiten sowie insbesondere Recherchearbeiten erledigt.
Die rechtssichere Nutzung von KI-Technologien
WebTiger Pro: Ein wichtiger Aspekt beim Einsatz von ChatGPT ist die rechtssichere Nutzung. Welche Schritte sind notwendig, um sicherzustellen, dass ChatGPT in der Kanzlei rechtlich einwandfrei eingesetzt wird?
Carmen Wolf: Zunächst muss sich der Nutzer bewusst sein, dass Chatbots Daten abgreifen – lediglich dann, wenn ein eigenes lokales Produkt genutzt wird, kann man sich (meines Erachtens) wirklich sicher sein. So verlassen sich zum Beispiel viele Nutzer darauf, bei ChatGPT sei der so genannte provisorische Chat sicher, da die Daten nicht zum Trainieren verwendet werden. Wer genau hinschaut, stellt jedoch schnell fest, dass die Daten (sicherheitshalber!?) mindestens 30 Tage lang gespeichert werden. Und wo? Wer hat Zugriff? Das ist unbekannt.
Der beste Datenschützer ist der Nutzer selbst (neben entsprechenden Einstellungen) – ist dieser nicht richtig geschult, gelangen Informationen an Orte, an die sie nicht hingehören. Natürlich beinhaltet eine rechtssichere Nutzung nicht nur (aber insbesondere) das Thema „Datenschutz“, sondern auch weitere Themen wie z.B. Urheberrechtsverletzungen, Haftungsprobleme sowie die (kommende, schrittweise) Umsetzung des KI EU-Acts. Schulungen klären auf und sensibilisieren die Mitarbeiter. Auch wenn das erst einmal kostet – es ist eine Investition, die sich rechnet!
Empfehlungen für Kanzleien
WebTiger Pro: Zum Abschluss: Welche Empfehlungen haben Sie für Kanzleien, die überlegen, ChatGPT einzusetzen, aber noch unsicher sind, wie sie den Einstieg am besten gestalten sollen?
Carmen Wolf: Kommen Sie in eines meiner Webinare – speziell für Assistenzen (*lacht). In der Tat gibt es vielfältige Möglichkeiten, sich erst einmal durch (Blog-)Beiträge, Aufsätze und/oder Foren über dieses Thema zu informieren. Darüber hinaus gibt es auch Broschüren (unter anderem sogar eine von mir *lacht), die einen guten Überblick geben. Gute Seminare und Webinare nicht nur in Richtung Nutzung (für den Berufsträger oder für die Assistenz), sondern auch mit dem Fokus auf datenschutzrechtliche sowie urheberrechtliche Themen gibt es von einer Vielzahl von Anbietern, einschließlich den meisten Rechtsanwaltskammern.
Im Webinar von Carmen Wolf erhalten Sie das Rüstzeug, um ChatGPT und Co. Schritt für Schritt in Ihren Arbeitsalltag zu integrieren und so Ihre Effizienz zu steigern.
Fazit
Der Einsatz von Chatbots wie ChatGPT in Anwaltskanzleien bietet vielversprechende Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und Entlastung von Mitarbeitenden, insbesondere angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels. Die Praxis zeigt: Die “Delegierung” von Routineaufgaben wie Textoptimierungen, Recherchearbeiten und die Erstellung von Dokumenten an Chatbots bringt erhebliche Zeitersparnisse mit sich.
Trotz der Vorteile scheuen sich jedoch viele Kanzleien, ihre Mitarbeitenden aktiv in den Umgang mit KI-Technologien zu schulen. Dies liegt oft an Unsicherheiten, sowohl auf Seiten der Mitarbeitenden, die befürchten, durch KI ersetzt zu werden, als auch bei den Berufsträgern, die rechtliche Bedenken und Skepsis gegenüber der Qualität der Ergebnisse haben.
Schulungen und Aufklärung können diese Ängste überwinden und den Weg für eine erfolgreiche Integration von ChatGPT ebnen. Dabei ist die rechtssichere Nutzung, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz und Haftung, von zentraler Bedeutung. Insgesamt zeigt sich, dass durch gezielte Schulungen und einem bewussten Umgang mit KI-Technologien Kanzleien nicht nur ihre Effizienz steigern, sondern auch ihre Mitarbeitenden langfristig binden können.
Sie wollen mehr über uns und unsere Leistungen erfahren?
Nehmen Sie gern direkt Kontakt zu uns auf oder füllen Sie unseren kurzen Fragebogen aus. An dessen Ende haben Sie u. a. die Möglichkeit, unseren kostenfreien Ratgeber "30 Tage, 30 Mandatsanfragen" anzufordern oder ein kostenfreies Strategiegespräch mit uns zu vereinbaren. Wir freuen uns auf Sie!
Quellen:
- Deutscher Anwaltsverein. (2023). Bericht zum Fachkräftemangel in Anwaltskanzleien: Umfrage 2023.
- Institut der deutschen Wirtschaft. (2023). Fachkräftemangel im Rechtswesen.
- Wolters Kluwer. (2022). Future Ready Lawyer Survey 2022: Technology, Innovation and Law Firms.
Bildquellennachweise: Just_Super | Prostock-Studio | DragonImages | Canva.com